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Sektflasche

Explosion einer Sektflasche

OGH vom 24.11.2022, 9 Ob 99/22g:
Die Beklagte betreibt eine Sektkellerei und bietet ua. das Produkt „K*“ an. Die dafür benötigten Flaschen werden von verschiedenen Produzenten zugekauft. Die konkret zerborstene Flasche wurde von der Nebenintervenientin hergestellt und der Beklagten geliefert. Die Befüllung und Etikettierung der Flasche erfolgte im Betrieb der Beklagten.

Am Etikett auf der Rückseite der Sektflasche findet sich der Warnhinweis: „Glasflasche steht unter Druck – kann bei Gewaltanwendung bersten (Splitterflug), nicht stoßen!“.

Der Kläger erwarb eine solche Sektflasche und lagerte diese in seiner Garage. Bei der Umlagerung stieß er mit der Flasche heftig gegen den Garagenboden oder einen anderen Gegenstand, wobei nicht festgestellt werden kann, wie es dazu kam und wogegen der Kläger stieß. Durch diesen Stoß (Impact) der Flasche gegen einen harten Gegenstand mit einer Härte von 60 bis 70 ips (inch per second) kam es zu einem Schanierbruch. Der Impact erfolgte zeitlich unmittelbar vor dem Bersten der Flasche und war die Ursache für den explosionsartigen Bruch. Ein Impact von 60 bis 70 ips entspricht einer Fallhöhe von 11,8 cm (bei 60 ips) bis 16 cm (bei 70 ips). Wird eine Flasche lediglich am Boden abgestellt oder wird damit im Zuge eines normalen Abstellvorgangs an einer Tischkante angestoßen, liegt die Härte des Impacts deutlich unter den im konkreten Fall auf die Flasche einwirkenden Kräften. Die Konstruktion der Flasche entspricht in Form und Gewicht einer branchenüblichen Sektflasche. Die Flasche wies vor dem Bruch weder Vorbeschädigungen noch Fremdkörpereinschlüsse, Oberflächenfehler oder andere Spannungskonzentratoren auf. Die Glasdicken sowie das Wanddickenverhältnis liegen in der gültigen Spezifikation. Bei der Beklagten ist bekannt, dass Flaschen, die mit kohlensäurehaltigen Getränken gefüllt sind, auch explosionsartig brechen können.
Durch die Explosion der Flasche wurden mehrere Splitter bzw Scherben weggeschleudert. Der Kläger zog sich dabei Schnittwunden am linken Unterschenkel sowie im Bereich des linken Unterarms zu.

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Erstgerichts entsprach die Sektflasche den geltenden Normen und technischen Sicherheitsstandards. Dies indiziert die Fehlerfreiheit des Produkts. Unter Berücksichtigung der objektivierbaren Anforderungen an die Eigenverantwortung des idealtypischen durchschnittlichen Produktbenützers erfüllt die Konstruktion der Sektflasche dessen berechtigte Sicherheitserwartungen. Diese liegen nach Ansicht des Senats (nur) darin, dass eine Sektflasche, die lediglich am Boden abgestellt wird oder mit der im Zuge eines üblichen Abstellvorgangs an einer Tischkante angestoßen wird, nicht birst und Personen durch den dadurch verursachten Splitterflug der Glasflasche nicht verletzt werden. Dies steht auch mit der Darbietung des Produkts, nämlich dem Warnhinweis, in Einklang. Nach Ansicht des Senats stellt ein – wie hier – mit unüblich hoher Krafteinwirkung ausgeführter Stoß mit der Sektflasche gegen den Boden oder einen anderen harten Gegenstand, der die Sektflasche zu Bruch und zum Bersten („Explodieren“) mit Splitterflug bringt, kein sozialübliches Verhalten dar. Ein derartiges Verhalten musste für die Beklagte auch nicht vorhersehbar sein. Dass eine Sektflasche unter beachtlichem Druck steht („Korkenknallen“) und insofern mit einer kohlensäurehaltigen Mineralwasserflasche („Zischen beim Öffnen“) nicht vergleichbar ist, gesteht auch der Kläger in seiner Revision zu. Vom Benützer einer Sektflasche ist daher ein weitaus sorgfältigerer Umgang zu erwarten als von jenem einer kohlensäurehaltigen Mineralwasserflasche. Ob hier der heftige Stoß des Klägers mit der Sektflasche gegen den Garagenboden oder einen harten Gegenstand nur „versehentlich“ oder doch fahrlässig mit einer unüblich hohen Krafteinwirkung erfolgte, macht daher hier letztlich keinen Unterschied. Die allgemein gehaltene Frage, ob per se ein Konstruktionsmangel vorliegt, wenn kohlensäurehaltige Getränke in Glasflaschen abgefüllt werden, die dem Innendruck nicht standhalten und bersten können, braucht daher auch hier im Hinblick auf die vom Kläger ausgeübte unüblich hohe Krafteinwirkung nicht beantwortet werden.

Aber auch die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen eine Instruktion konstruktive Voraussetzungen ersetzen kann, bedarf in dieser Allgemeinheit – ohne Bezugnahme auf den konkreten Anlassfall – keiner näheren Erörterung. Richtig ist, dass Warnhinweise klar und allgemein verständlich formuliert sein müssen. Das spezielle Risiko ist in seiner ganzen Tragweite möglichst eindrucksvoll zu schildern. Die Instruktion muss daher geeignet sein, das Risiko einer Rechtsgutverletzung zu beseitigen. Kann die Verwendung des Produkts mit erheblichen Gefahren für die Gesundheit von Menschen verbunden sein, so dürfen Warnhinweise nicht im sonstigen Text „versteckt“ werden. Die Hinweise müssen eine Art der drohenden Gefahr deutlich herausstellen und Funktionszusammenhänge klar machen, sodass erkennbar wird, warum das Produkt gefährlich ist. Warnhinweise müssen umso deutlicher ausfallen, je größer das Ausmaß der potentiellen Schadensfolgen und je versteckter die Gefährlichkeit ist. Ob und welche Produktinstruktionen erforderlich sind, entscheidet sich regelmäßig nach der Kasuistik des Einzelfalls.

Unsere Meinung dazu

Alkohol ist gefährlich, seine Gebinde manchmal auch... Der Hersteller gefährlicher Produkte ist zwar dafür verantwortlich, seine Produkte entsprechend zu kennzeichnen, das entbindet den Konsumenten aber nicht von einer erhöhten Sorgfaltspflicht im Umgang mit derartigen Produkten. Bei Feuerwerkskörpern oder Böllern würde man daran wohl keine Zweifel hegen. Bei Flaschen auch? Der OGH sagt ja und das ist ebenso richtig wie praxistauglich. Dass eine Sektflasche explodieren kann, wenn man sie auf den Boden knallt, sollte zum Allgemeinwissen zählen. Den Hersteller trifft daher keine darüberhinausgehende Sorgfalts- oder Warnpflicht. Sekttrinker leben gefährlich; das kann man aus der vorliegenden Entscheidung des OGH mitnehmen.