Sicherungspflichten iZm Snowpark

Ferdinand Bachinger
Admin | 30. März 2025
OGH vom 22.1.2025, 3 Ob 237/24k:
[1] 1. Nach der Rechtsprechung nimmt derjenige, der an einer gefährlichen sportlichen Veranstaltung teilnimmt, das damit verbundene, in der Natur der betreffenden Veranstaltung gelegene Risiko, jedenfalls soweit er es kennt oder kennen muss, auf sich und handelt auf eigene Gefahr. Ihm wird eine Selbstsicherung zugemutet; die dem Gefährdenden sonst obliegenden Sorgfaltspflichten sind aufgehoben oder eingeschränkt (vgl RS0023006). Allerdings trifft den Betreiber und Veranstalter einer Risikosportart, der auch das dafür notwendige Sportgerät zur Verfügung stellt, jedenfalls eine entsprechende Sorgfalts- und Aufklärungspflicht über Umstände, die die Sicherheitsrisiken betreffen. Nur so wird der Teilnehmer in die Lage versetzt, diese Sicherheitsrisiken auch ausreichend abzuschätzen, wobei die Schilderung, Aufklärung und Beratung so konkret, umfassend und instruktiv zu erfolgen hat, dass sich der hievon Angesprochene der (möglichen) Gefahren bewusst wird und diese eigenverantwortlich abschätzen kann (10 Ob 15/19g mwN).
[2] 2. Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RS0023726). Die Verpflichtung zum Schutz vor erkennbaren Gefahren findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit ihrer Abwehr (RS0023397). Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0110202).
[3] 3. Dass die Vorinstanzen die Verletzung einer (vertraglichen) Verkehrssicherungspflicht durch die beklagte Betreiberin eines „Snowparks“ verneinten, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
[4] 3.1. Der damals 16-jährige Kläger verletzte sich 2019 im Rahmen eines Schulskikurses im Snowpark in dem von der Beklagten betriebenen Skigebiet schwer, als er die größte dort befindliche Schanze – wie er selbst zugesteht, mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit – benutzte. Er hatte
– wie auch die übrigen Schüler seiner Skikursgruppe und der die Gruppe leitende Lehrer – vor Einfahren in den Snowpark die im Eingangsbereich angebrachte gelbe Hinweistafel mit „Snowpark Rules“ nicht beachtet. Entgegen den Anweisungen auf dieser Tafel nutzte der Kläger sogleich die größte im Snowpark vorhandene Schanze, statt „klein zu starten und sich hinaufzuarbeiten“, und besichtigte sie vor seinem Sprung auch nicht. Im Anlaufbereich war ca 50 m vor der vom Kläger genutzten Schanze in Anfahrtsrichtung leicht rechts versetzt ein gelbes Transparent mit der Aufschrift „LANGSAM/ SLOW“ angebracht.
[5] 3.2. Die vom Kläger relevierte Rechtsfrage bezüglich des Beweismaßes und der Beweislast für die Kausalität der behaupteten Unterlassungen der Beklagten stellt sich hier gar nicht. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist nämlich eine Schwierigkeitsbewertung der einzelnen Hindernisse in einem Snowpark (leicht/mittel/schwer bzw blau/rot/schwarz) nicht Stand der Technik; auch ein zwingend vorgegebener Startbereich oder Abfahrtskorridor bzw ein Regulativ bezüglich der Anlaufgeschwindigkeit zur Ausführung eines Sprunges wäre fachlich nicht dienlich, weil es dabei maßgeblich auf den konkret beabsichtigten Sprung, das verwendete Material bzw Sportgerät (Ski oder Snowboard) und die Schneebeschaffenheit ankommt. Auch eine Aufsicht an den Eingängen zum Snowpark, die sicherstellt, dass es zu keinen „Fehlbenutzungen“ kommt, war zum Unfallszeitpunkt nicht Stand der Technik, zumal aufgrund der Frequenz der Benutzer und auch der Tatsache, dass dem Betreiber nicht bekannt ist, welcher Besucher welche Hindernisse nutzen möchte, ein Gespräch mit jedem einzelnen Besucher und ein detailliertes Eingehen auf diesen gar nicht durchführbar wäre. Schon ausgehend davon ist aber für den Kläger aus der Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden kann, ob sein Unfall durch die Verwendung von Schwierigkeitsbewertungen der einzelnen Elemente, die Vorgabe einer Startzone bzw eines Anlaufkorridors oder durch Sicherheitsbelehrungen durch Mitarbeiter der Beklagten im Eingangsbereich des Snowparks verhindert worden wäre, von vornherein nichts zu gewinnen.
[6] 3.3. Die vom Kläger ins Treffen geführte Entscheidung 6 Ob 183/15b ist hier nicht einschlägig. Der dort beklagte Betreiber einer „Bagjump“-Anlage hatte nämlich – anders als hier die Beklagte – durch die Werbeankündigung „Erleben Sie das gute Gefühl eines missglückten Backflips“ potenziellen Benützern der Anlage signalisiert, dass das Springen relativ harmlos sei.
[7] 3.4. Auch aus der Entscheidung 10 Ob 15/19g ist für den Standpunkt des Klägers nichts abzuleiten, weil sich daraus gerade nicht ergibt, dass in einem Snowpark jedenfalls zusätzlich zu schriftlichen Warnhinweisen auch eine individuelle Aufklärung/Warnung des Benützers vor jedem einzelnen Sprung geboten wäre.
[8] 3.5. Die vom Kläger weiters zitierte Entscheidung des BGH vom 3. Juni 2008, VI ZR 223/07, betraf ebenfalls eine hier nicht vorliegende Konstellation, nämlich ein Spielgerät, konkret eine Trampolinanlage, die für Kinder ab vier Jahren freigegeben war und ohne besondere Aufsicht benutzt werden konnte.
Unsere Meinung dazu
In dieser Entscheidung beschäftigt sich der OGH mit dem notwendigen Umfang und der Intensität von Verkehrssicherungspflichten eines Snowpark-Betreibers. Der OGH hat hierbei klargestellt, dass die Benutzer eines Snowparks grundsätzlich selbst dafür verantwortlich sind, ob und wie sie die Hindernisse, Geräte oder Kicker benutzen. Der Betreiber muss insbesondere keine Schwierigkeitsbewertungen der Hindernisse (blau/rot/schwarz) vornehmen, keine Anlaufkorridore einrichten und auch keine Aufsichtspersonen zur Verhinderung von Fehlbenutzungen installieren. Es reicht, wenn der Betreiber "Snowpark-Rules" und gelbe Transparente mit der Aufschrift "LANGSAM/SLOW" aufstellt. Der Benutzer des Snowparks ist wiederum gehalten, nicht gleich den größten Kicker zu überspringen, sondern sich hinaufzuarbeiten. Die Ausführungen des OGH sind logisch nachvollziehbar, praxisorientiert und nicht zu beanstanden.