Blog Detail

Verjährung Versicherungsansprüche

Verjährung Versicherungsansprüche

OGH vom 20.01.2025, 7 Ob 219/24t:
[1] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts – nicht zulässig. Die Zurückweisung der Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

[2] 1. Zwischen den Parteien bestand für das Gebäude des Klägers ein Eigenheimversicherungsvertrag, der auch einen „erweiterten Elementarschutz“ insbesondere für Schäden durch Niederschlagswasser umfasste. Am 8. 6. 2018 kam es aufgrund eines Wassereintritts in das Gebäudeinnere zu einem Schaden. Mit folgendem Schreiben vom 9. 8. 2018 lehnte die Beklagte die Leistungsübernahme ab:

„Ereignis vom 08.06.2018

Gebäude Sturm

Sehr geehrter [Kläger]!

Danke für Ihre Schadenmeldung.

Unsere Prüfung hat ergeben, dass der gemeldete Schaden im Rahmen Ihres Versicherungsvertrages nicht gedeckt ist, da das Niederschlagswasser offensichtlich durch eine Undichtheit durch die Mauer eingedrungen ist.

Wir bitten um Verständnis, dass wir daher keine Entschädigungsleistung erbringen können.

[...]“

[3] Die Beklagte überließ dem Kläger auch das von ihr eingeholte Sachverständigengutachten über den Schadenhergang, wonach der Schaden im Zuge des Starkregenereignisses am 8. 6. 2018 höchstwahrscheinlich auf einen Niederschlagswassereintritt über die Ringraumdichtung zurückzuführen sei.

[4] Mit der am 4. 3. 2024 eingebrachten Klage begehrt der Kläger eine Versicherungsleistung von gesamt 8.614,13 EUR sA für seinen Wasserschaden infolge des Starkregenereignisses sowie aus dem Titel des Schadenersatzes die Prozesskosten von 19.600,67 EUR sA für den verloren gegangenen Prozess gegen den Rauchfangkehrer, in dem er der Beklagten den Streit verkündet habe.

2. Verjährung des Anspruchs auf Versicherungsleistung
[5] 2.1. Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet in diesem Zusammenhang die Frage, ob das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 9. 8. 2018 den in § 12 Abs 2 VersVG normierten Voraussetzungen entsprochen hat und deshalb dem von der Beklagten erhobenen Verjährungs-einwand nach § 12 Abs 1 VersVG gegen den mit Klage vom 4. 3. 2024 geltend gemachten Anspruch auf Versicherungsleistung Berechtigung zukommt, wie dies von den Vorinstanzen angenommen wurde.

[6] 2.2. Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verjähren nach § 12 Abs 1 Satz 1 VersVG in drei Jahren. Ist der Anspruch des Versicherungsnehmers beim Versicherer angemeldet, so ist nach § 12 Abs 2 Satz 1 VersVG die Verjährung bis zum Einlangen einer in geschriebener Form übermittelten Entscheidung des Versicherers gehemmt, die zumindest mit der Anführung einer der Ablehnung derzeit zugrunde gelegten Tatsache und gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmung begründet ist.

[7] 2.3. § 12 Abs 1 VersVG enthält eine die Verjährung von Versicherungsansprüchen regelnde Sonderbestimmung (RS0080075 [T4]). Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt mit jenem Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit der geforderten Leistung eintritt (RS0080075 [T2]; RS0080324; 7 Ob 71/22z [Rz 6] mwN).

[8] 2.4. Wenn der Versicherer die Versicherungsleistung endgültig ablehnt, wird der Entschädigungsanspruch sofort fällig (RS0114507), sodass die Versicherungsleistung mit Leistungsklage geltend gemacht werden kann (RS0080481 [T5]).

[9] 2.5. Die Vorinstanzen qualifizierten das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 9. 8. 2018 als ausreichend nach § 12 Abs 2 VersVG.

Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden:
[10] Der Oberste Gerichtshof hat der vom Revisionswerber monierten fehlenden Angabe einer der Ablehnung zugrunde gelegten gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmung im Sinn des § 12 Abs 2 VersVG bereits entgegengehalten, dass auch die für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer ausreichend klare Bezugnahme auf die Versicherungsbedingungen ausreichend ist (7 Ob 71/22z [Rz 9] mwN = RS0080224 [T7]; vgl 7 Ob 182/06z = RS0080224 [T6] = RS0114507 [T6]).

[11] Im Schreiben vom 9. 8. 2018 wurde – selbst wenn dies allenfalls sachlich unrichtig gewesen sein sollte (vgl 7 Ob 127/22k [Rz 4]) – für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer notwendig klar und ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die beanspruchte Versicherungsleistung aus dem Eigenheimversicherungsvertrag verweigert wird, weil nach Ansicht der Beklagten das Niederschlagswasser offensichtlich durch eine Undichtheit durch die Gebäudemauer eingedrungen ist. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, die entgegen der Ansicht des Klägers weder nichtig noch aktenwidrig oder mangelhaft ist, dass die im Ablehnungsschreiben genannte Undichtheit ausreichend klar auf den Risikoausschluss für mangelnde Instandhaltung des Gebäudes nach Art 13.4 E2P – Besonderen Bedingungen für die Eigenheimversicherung Bezug nimmt und es auf die konkrete Anführung dieser Bestimmung des Versicherungsvertrags nicht ankomme, ist nicht korrekturbedürftig.

[12] Der klagende Versicherungsnehmer wurde darüber informiert, warum der Versicherer seine Leistungspflicht bestreitet; es wurde kurz, nachvollziehbar und nachprüfbar angeführt, auf welche Tatsachen sich die Beklagte beruft und (ausreichend deutlich) aus welcher vertraglichen Bestimmung sie das Fehlen ihrer Leistungspflicht ableitet; die Begründung muss jedoch – anders als der Revisionswerber meint – nicht richtig sein. So darf der Versicherer auch erst im Deckungsprozess weitere Gründe nachtragen, weil keine Eventualmaxime geregelt ist (7 Ob 11/10h [Punkt 1.3.] mwN = SZ 2010/60).

[13] Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Verjährung des Anspruchs auf Versicherungsleistung bereits mit dem Zugang des Schreibens vom 9. 8. 2018 begann, sodass die dreijährige Verjährungsfrist des § 12 Abs 1 Satz 1 VersVG im Zeitpunkt der Einbringung der Klage bereits abgelaufen war, ist daher nicht zu beanstanden.

[14] 3. Kein Anspruch des Klägers auf Ersatz der Prozesskosten seines Verfahrens gegen den Rauchfangkehrer:

[15] 3.1. Die Notwendigkeit der Begründung der negativen Äußerung nach § 12 Abs 2 VersVG soll sicherstellen, dass der Versicherungsnehmer Klarheit über die Weigerungsgründe des Versicherers erhält, um ihm sein weiteres Vorgehen bei der Verfolgung seiner erhobenen Ansprüche zu erleichtern. Keinesfalls soll damit dem Versicherungsnehmer eine abschließende und vollständige Klärung der Grundlagen der von ihm verlangten Versicherungsleistung durch den Versicherer abgenommen werden; vielmehr bleibt es Sache des Versicherungsnehmers, selbständig die Argumente des Versicherers zu hinterfragen und zu bewerten, um unter deren Einbeziehung zu entscheiden, ob und gegen wen er die Durchsetzung seiner Ansprüche verfolgen will (insbesondere zu § 29a KHVG: 7 Ob 11/10h [Punkt 1.4.] = RS0126090).

[16] 3.2. Die Beklagte hat diesen Anforderungen an ihre Begründungspflicht entsprochen und – darüber hinaus – dem Kläger das eingeholte Sachverständigengutachten, also die Basis ihrer Erwägungen, überlassen. Es lag daher am Kläger, auf dieser Grundlage das weitere Vorgehen selbstverantwortlich zu entscheiden.

[17] 3.3. Die Beklagte lehnte gestützt auf dieses Gutachten eine Versicherungsleistung ab, weil sie davon ausging, dass das Niederschlagswasser infolge der Undichtheit der Ringraumdichtungen durch die Mauer eingedrungen ist. Aus dem eigenen Vorbringen des Klägers ergibt sich, dass er die Klage gegen den Rauchfangkehrer vor allem wegen des Inhalts des Besichtigungsberichts, den dessen Haftpflichtversicherer eingeholt hatte und der zu einer gänzlich anderen Schadensursache gelangte als das Sachverständigengutachten der Beklagten, einbrachte.

[18] Völlig unverständlich bleibt daher die Argumentation des Revisionswerbers, dass die Ablehnung der Versicherungsleistung infolge undichter Ringraumdichtungen ihn veranlasst haben sollte, den Rauchfangkehrer mit der Begründung zu klagen, dass dieser schuldhaft ein Putztürchen nicht ordnungsgemäß geschlossen habe. Aus der Begründung der Ablehnung der Beklagten ist schon kein kausales Verhalten für die Erhebung der Klage gegen den Rauchfangkehrer mit der Behauptung einer anderen Ursache abzuleiten.

[19] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.

Unsere Meinung dazu

Die Besonderheit am Versicherungsvertragsgesetz ist, dass die Verjährung erst dann in Gang gesetzt (bzw. nicht mehr gehemmt) wird, wenn die Versicherung die Ansprüche des Versicherungsnehmers schriftlich abgelehnt hat. Die Ablehnung muss keine Details enthalten, es muss für den Versicherungsnehmer aber hinreichend klar sein, dass die Versicherung keine Leistungen erbringen will. Demnach ist bei der Korrespondenz mit Versicherungen Vorsicht geboten. Wenn die Versicherung erkennen lässt, dass sie keine Leistungen erbringen will, tickt die Uhr.
Die Entscheidung des OGH ist zwar bedauerlich für den Versicherungsnehmer, in rechtlicher Hinsicht aber nicht zu beanstanden.