Warnpflicht des Werkunternehmers

Ferdinand Bachinger
Admin | 16. März 2025
OGH vom 21.1.2025, 1 Ob 165/24g:
[1] Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft mit einer an einen Dritten vermieteten Lagerhalle samt Bürotrakt. Auf dem Grundstück verläuft ein etwa 50 bis 60 Jahre alter Mischkanal, über den sowohl Schmutz- als auch Niederschlagswasser (vor allem von einem etwa 2.000 Quadratmeter großen Parkplatz) abgeleitet wird. 2016 informierte die Mieterin der Halle die Klägerin von Problemen mit dem Kanal, weil beim Spülen einer Toilette Wasser „hochgedrückt“ werde. Die Klägerin kontaktierte daher die beklagte Tiefbauunternehmerin, schilderte ihr das Problem und ersuchte sie um einen Sanierungsvorschlag. Dabei übergab sie ihr auch Pläne des Kanals sowie ein Protokoll einer 2015/2016 durchgeführten Videountersuchung („Kanalbefahrung“), aus der sich ein Schaden des Kanals im Bereich des Bürotrakts ergab.
[2] Die Beklagte besichtigte die Liegenschaft und schlug zunächst vor, nur das defekte Rohrstück zu tauschen. Der Klägerin erschien es jedoch sinnvoller, gleich ein größeres Teilstück des Kanals – nämlich vom Bürotrakt bis zu einer LKW-Laderampe – zu sanieren. Arbeiten am weiteren Kanalverlauf (von der Laderampe bis zur Einmündung in das öffentliche Kanalnetz) wurden nicht besprochen; ebenso wenig alternative Lösungen für die Entsorgung des Oberflächenwassers, etwa durch Trennung des bestehenden Mischwasserkanals in separate Kanäle für das Schmutz- und Niederschlagswasser oder dessen Versickerung auf dem Grundstück der Klägerin. Es wurde auch nicht darüber gesprochen, welche Dimensionierung des Kanals – für dessen Zweck einer Entwässerung (vor allem) des Parkplatzes – erforderlich und ob es in der Vergangenheit zu Überschwemmungen auf der Liegenschaft gekommen sei.
[3] Die Beklagte legte ein Angebot für die Sanierung des vom Bürotrakt bis zur Laderampe verlaufenden (etwa 75 Meter langen) Teilstücks des Kanals durch Austausch der bestehenden Rohre aus Steinzeug gegen solche aus Kunststoff. Das Angebot sah einen Durchmesser der neuen Rohre von 200 Millimeter vor, weil auch aus dem der Beklagten übergebenen Kanalplan eine solche Dimension des (bestehenden) Kanals hervorging. Das Angebot enthielt den Hinweis, dass der Kanal als Mischwassersystem ausgeführt sei und dies so beibehalten – also keine Trennkanalisation (für Schmutz- und Niederschlagswasser) hergestellt – werden solle. Die Klägerin nahm das Angebot der Beklagten an.
[4] Im Zuge ihrer Arbeiten bemerkte die Beklagte, dass der bestehende Kanal – entgegen der Darstellung in dem ihr zur Verfügung gestellten Plan – keinen Durchmesser von 200, sondern nur von 150 Millimetern aufwies; dies auch im (von ihren Arbeiten nicht betroffenen) Bereich nach der Laderampe bis zum öffentlichen Kanalnetz. Ob die Beklagte die Klägerin auf diesen Umstand hinwies, steht nicht fest. Da ein Kanal mit einem größeren Durchmesser in Fließrichtung nicht an einen Kanal mit einem geringeren Durchmesser angeschlossen werden darf, verlegte die Beklagte Rohre mit einem Durchmesser von 150 Millimeter. Weder ein Kanal mit einem Durchmesser von 150 noch von 200 Millimetern wäre jedoch für die Entwässerung des Parkplatzes ausreichend gewesen. Vielmehr hätte dies Kanalrohre mit einem Durchmesser von mindestens 300 Millimetern erfordert, was einem erfahrenen Tiefbauunternehmer bekannt sein und auffallen hätte müssen. Hätte die Beklagte daher – wie vereinbart – Rohre mit einem Durchmesser von 200 Millimetern verlegt, hätte dadurch – weil an das zu sanierende Teilstück ein Kanalrohr mit einem Durchmesser von 150 Millimetern anschloss – auch nicht mehr Wasser abtransportiert werden können. Die Beklagte wies die Klägerin nicht darauf hin, dass Kanalrohre mit einem Durchmesser von weniger als 300 Millimetern für die Entwässerung des Parkplatzes nicht geeignet seien.
[5] Am 16. 8. 2021 – also nach Abschluss der Arbeiten der Beklagten – kam es im Bereich der Liegenschaft der Klägerin zu einem Starkregenereignis, das zu einer Überflutung des Parkplatzes und in der Folge zu einem Eindringen von Wasser in die Halle führte. Ob dafür die zu geringe Dimension des Kanals oder ein 2022 entdeckter Scherbenbruch im Bereich des Kanals zwischen der Laderampe und dem Anschluss an das öffentliche Kanalnetz ursächlich war, steht nicht fest.
[6] Die Klägerin begehrt (nach Klageänderung) primär die Rückzahlung des von ihr geleisteten Werklohns. Hilfsweise stützt sie ihr Zahlungsbegehren auch auf einen Ersatz der „schuldhaft verursachten Schäden im Zuge der mangelhaften Sanierung des Kanals“, womit sie – soweit erkennbar – auf Kosten für die (Neu-)Herstellung einer Versickerungsanlage für das bisher über den Kanal abgeführte Niederschlagswasser abstellt. Weiters erhebt sie ein Feststellungsbegehren.
[7] Die Klägerin habe die Beklagte mit der Erstellung eines Sanierungskonzepts sowie einer umfassenden Sanierung der Kanalanlage auf ihrer Liegenschaft beauftragt. Weder die Dimension des ursprünglichen Kanals mit einem Durchmesser von 150 Millimetern noch die beauftragte Verlegung neuer Kanalrohre mit einem Durchmesser von 200 Millimetern sei jedoch für die angestrebte Entwässerung des Parkplatzes geeignet gewesen. Vielmehr wäre dafür ein Kanal mit einem Durchmesser von 300 Millimetern notwendig gewesen. Dies hätte der Beklagten – anders als der Klägerin – bekannt sein und sie hätte diese daher darüber aufklären müssen. Da die Beklagte dies unterlassen habe, habe sie ihre werkvertragliche Warnpflicht verletzt. Sie hafte daher für den dadurch verursachten Schaden. Dieser bestehe primär darin, dass die Klägerin für das dem vereinbarten Zweck (Ableitung von Niederschlagswasser vom Parkplatz) nicht entsprechende Werk ein „sinnloses“ Entgelt geleistet habe.
[8] Ihr Feststellungsbegehren leitet die Klägerin daraus ab, dass ihr für eine „Sanierung des Kanals“ Kosten entstünden, die derzeit noch nicht abschätzbar seien. Außerdem sei aufgrund der Überflutung der vermieteten Halle mit künftigen (Ersatz-)Forderungen des Mieters zu rechnen.
[9] Die Beklagte wandte zusammengefasst ein, nur mit der Sanierung des bestehenden Kanals im Bereich zwischen dem Bürotrakt der Halle und der Laderampe beauftragt worden zu sein. Der Auftrag habe bloß den Austausch der bestehenden Kanalrohre in diesem Bereich umfasst und nicht etwa auch die Erstellung eines umfassenden Konzepts für die Entwässerung der Liegenschaft der Klägerin. Da auch in jenem Kanalbereich, auf den sich der Auftrag nicht bezogen habe (also – in Fließrichtung gesehen – von der Laderampe bis zum öffentlichen Kanalnetz) nur Rohre mit einem Durchmesser von 150 Millimetern verlegt gewesen seien, hätten auch in dem zu sanierenden Bereich nur solche Rohre verlegt werden können. Dass die vorhandene Dimension des Kanals (oder auch ein Rohrdurchmesser von 200 Millimetern) für die Entwässerung des Parkplatzes nicht ausreiche, sei für die Beklagte weder erkennbar gewesen, noch sei die Frage der für den angestrebten Zweck erforderlichen Dimensionierung des Kanals Gegenstand des Vertrags geworden. Die Beklagte habe daher keine Warnpflicht verletzt.
[10] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
[11] Der Austausch der Rohre des zu sanierenden Kanalabschnitts sei zwar fachgerecht erfolgt. Dass die Beklagte Rohre mit einem Durchmesser von 150 Millimetern anstatt von – wie im Angebot vorgesehen – 200 Millimetern verlegt habe, sei einer technischen Notwendigkeit geschuldet gewesen, weil sich der Rohrdurchmesser sonst in Fließrichtung – was technisch nicht zulässig gewesen wäre – verjüngt hätte. Ein Durchmesser von 200 Millimetern sei bloß deshalb vereinbart worden, weil beide Parteien zu Unrecht davon ausgegangen seien, dass dies der Dimension des bestehenden Kanals entsprochen hätte, weshalb „nach dem Gedanken des § 872 ABGB“ davon auszugehen sei, dass die Parteien bei Kenntnis der tatsächlichen Dimension des bestehenden Kanals – um eine einheitliche Durchflusskapazität zu erreichen – eine dieser entsprechende Dimension auch der neu zu verlegenden Rohre vereinbart hätten.
[12] Die Beklagte habe es aber als Warnpflichtverletzung gemäß § 1168a ABGB zu vertreten, dass sie die Klägerin nicht darauf hingewiesen habe, dass ein Kanal mit einem Durchmesser von weniger als 300 Millimetern für die von ihr angestrebte Entwässerung des Parkplatzes nicht ausreiche. Zwar habe der der Beklagten erteilte Auftrag nur den Austausch von Kanalrohren in einem bestimmten (Teil-)Bereich der Liegenschaft der Klägerin und keine Neuberechnung der erforderlichen Kapazität des gesamten Kanals umfasst. Als Fachmann hätte ihr aber auffallen müssen, dass der erkennbare Zweck des Kanals, (vor allem auch) Oberflächenwasser vom Parkplatz abzuleiten, wobei auch die beauftragte Sanierung des gegenständlichen Teilstücks diesen Zweck verfolgt habe, weder mit den bisher verlegten Rohrleitungen noch mit den neu zu verlegenden (gleich dimensionierten) Rohren erreicht werden könne. Das von der Beklagten hergestellte Werk sei daher – im Hinblick auf den damit angestrebten Zweck – untauglich, weshalb der Beklagten dafür kein Entgelt zustehe. Die Klägerin könne ihren Anspruch auf Rückzahlung des Werklohns auch auf § 933a ABGB stützen, weil der Werkvertrag mangelhaft erfüllt worden sei.
[13] Das Feststellungsbegehren – welches das Erstgericht dahin „präzisierte“, dass die Beklagte für sämtliche Schäden hafte, „soweit diese in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Verletzung der Warn- und Hinweispflicht bei der Sanierung der Kanalanlage“ stünden – bestehe zu Recht, weil nicht ausgeschlossen sei, dass es bei künftigen Starkregenereignissen zu neuerlichen Überschwemmungen komme oder der Mieter der Lagerhalle (gemeint: wegen der Überschwemmung im Jahr 2021) Forderungen gegen die Beklagte erhebe.
[14] Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
[15] Eine werkvertragliche Warnpflicht bestehe nur im Rahmen der Leistungspflicht des Unternehmers. So wie ein Reparaturunternehmen nicht verpflichtet sei, das Objekt der Reparatur nach Behebung des Fehlers, der Anlass für den Reparaturauftrag gewesen sei, auf andere Fehler (in anderen „Teilbereichen“) zu untersuchen, sei auch die Beklagte nicht gehalten gewesen, die bisherige Dimension des Kanals auf ihre Eignung zur Entwässerung des Parkplatzes zu prüfen. Diese „Problematik“ sei nicht Gegenstand der Vertragsgespräche gewesen und daher nicht Vertragsinhalt geworden. Die Beklagte sei nicht mit der Erstellung eines „Sanierungskonzepts“, sondern nur mit dem Austausch bestimmter Rohre beauftragt worden, weshalb sie keinen Anlass dazu gehabt habe, sich mit der „Thematik der Parkplatzentwässerung“ auseinanderzusetzen.
[16] Dass die Beklagte statt – wie vereinbart – Rohre mit einem Durchmesser von 200 Millimetern solche mit einem Durchmesser von nur 150 Millimetern verlegt habe, habe dem Parteiwillen entsprochen, weil beide Vertragsparteien davon ausgegangen seien, dass die Dimension der neuen Rohre jener des bestehenden Kanals entsprechen solle.
[17] Dass jenes Problem, das Anlass für die Beauftragung der Beklagten gewesen sei (das „Hochdrücken“ von Wasser beim Spülen einer Toilette), nicht behoben worden wäre, habe die Klägerin gar nicht behauptet. Da der Kanal vor und nach den Arbeiten der Beklagten über Jahrzehnte – mit Ausnahme des genannten Problems sowie der Überschwemmung aufgrund des Starkregenereignisses im Jahr 2021 – einwandfrei funktioniert habe, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Werk unbrauchbar und iSd § 1168a ABGB misslungen sei, was aber Voraussetzung für Ansprüche aufgrund einer Warnpflichtverletzung sei.
[18] Zum Feststellungsbegehren hätte die Klägerin außerdem die Kausalität der Warnpflichtverletzung für mögliche Schäden behaupten und beweisen müssen.
[19] Die Revision sei aufgrund der Einzelfallbezogenheit der Beurteilung des Umfangs der Warnpflicht nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[20] Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch zulässig und teilweise berechtigt, weil das Berufungsgericht zu Unrecht eine Warnpflichtverletzung der Beklagten verneint hat.
[21] 1. Die behaupteten Rechtsmittelgründe der Aktenwidrigkeit sowie der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[22] 2. Der Rechtsrüge kommt jedoch Berechtigung zu:
2.1. Zur werkvertraglichen Warnpflicht:
[23] 2.1.1. Gemäß § 1168a ABGB ist ein Unternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller beigestellten Stoffes oder einer offenbar unrichtigen Anweisung des Bestellers misslingt und er diesen nicht gewarnt hat. Damit wird die Schutz- und Sorgfaltspflicht des Unternehmers gegenüber dem Werkbesteller angesprochen (RS0022086; RS0022205 [T3]). Die Warnpflicht besteht zwar nur „im Rahmen der eigenen Leistungspflicht des Unternehmers und der damit verbundenen Schutz- und Sorgfaltspflichten“ (RS0022268). Welche Interessen einer Vertragspartei geschützt und daher vom anderen Teil zu wahren sind, ist aber nach allgemeinen Grundsätzen nach Sinn und Zweck des konkreten Vertrags zu ermitteln (RS0023150 [T1]; RS0017850), der auch bestimmt, wem welches Risiko zur Last fällt (RS0017850 [T4]; 2 Ob 230/17p). Die Vertragsparteien haben sich so zu verhalten, wie es die jeweils andere Partei im Hinblick auf den Zweck des Vertrags erwarten darf, damit dieser nicht vereitelt, sondern erleichtert und ein Schaden verhindert wird (RS0018232 [T2]).
[24] 2.1.2. Der Sphäre des Werkbestellers gehören der von ihm beigestellte Stoff, die von ihm erteilten Anweisungen (§ 1168a letzter Satz ABGB) sowie alle die Werkerstellung sonst störenden und auf Seite des Bestellers gelegenen Umstände an (RS0021934). Eine „Anweisung“ iSd § 1168a ABGB ist zwar nicht jeder Wunsch des Bestellers, sie liegt aber vor, wenn er dem Unternehmer nicht nur das Ziel – nämlich das herzustellende Werk – vorgibt, sondern auch die Art der Durchführung konkret und verbindlich vorschreibt (RS0022214; RS0022239). Unter „Stoff“ ist alles zu verstehen, aus dem oder mit dem das Werk herzustellen ist, so auch der Grund und Boden, auf (oder in) dem ein Werk aufzuführen ist (RS0022045). Auch Vorarbeiten anderer Unternehmer oder des Bestellers selbst, auf denen das herzustellende Werk aufbaut, sind als Stoff iSd § 1168a ABGB anzusehen (RS0022045 [T6, T11]).
[25] 2.1.3. „Offenbar“ iSd § 1168a ABGB ist eine unrichtige Anweisung, ein untauglicher Stoff oder eine sonstige Gefahr des Misslingens des Werks aus Gründen in der Bestellersphäre, wenn der Unternehmer dies nach der von ihm zu erwartenden Sachkenntnis – nach dem objektiven Maßstab des § 1299 ABGB (RS0022259 [T6]) – erkennen konnte (RS0022259; RS0022225; RS0021744). Dabei sind zwar keine umfangreichen, technisch schwierigen und kostenintensiven Untersuchungen zu fordern, die zur Werkleistung und Höhe des Werklohns in keinem vernünftigen Verhältnis stehen (RS0022252). Andererseits ist aber nicht jedes blinde Vertrauen des Unternehmers geschützt (RS0022252 [T6]), vielmehr muss er die Grundlagen für sein Werk überprüfen und „durchdenken“ (vgl 7 Ob 517/96; 10 Ob 205/01x; 6 Ob 276/02k).
[26] 2.1.4. Misslingt ein Werk aus vom Besteller zu verantwortenden Gründen, insbesondere weil er eine unrichtige Anweisung erteilt oder einen untauglichen Stoff beigestellt hat, treffen ihn grundsätzlich die nachteiligen Folgen, also insbesondere die Pflicht zur Zahlung des Werklohns. Dies gilt sowohl dann, wenn die Untauglichkeit des Stoffs oder die Unrichtigkeit der Anweisung (oder eine sonstige Gefahr des Misslingens des Werks aus Umständen auf Bestellerseite) iSd § 1168a ABGB offenbar war und der Werkunternehmer ausreichend gewarnt hat, als auch in dem Fall, dass dies nicht offenbar war (vgl nur M. Bydlinski in Bydlinski/Perner/Spitzer, ABGB7 [2023] § 1168a Rz 5; idS etwa auch 6 Ob 274/04v; 8 Ob 97/15w). Kam der Werkunternehmer bei offenbaren Gefahren für den Erfolg der Werkerstellung seiner Warnpflicht hingegen nicht nach, treten die Rechtsfolgen des § 1168a ABGB ein. Diese bestehen grundsätzlich darin, dass der Unternehmer seinen Entgeltanspruch verliert und für weitergehende, durch die Warnpflichtverletzung verursachte Schäden haftet (RS0022124; zu den konkreten Rechtsfolgen im vorliegenden Fall siehe Pkt 3 und 4).
[27] 2.2. Hier hat die Beklagte – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – die ihr obliegende Warnpflicht verletzt:
[28] 2.2.1. Fest steht, dass der Austausch der Kanalrohre als solcher fachgerecht erfolgte. Die Klägerin steht jedoch auf dem Standpunkt, die Beklagte hätte sie darauf hinweisen müssen, dass die vereinbarte Dimension der von ihr neu zu verlegenden Kanalrohre (ebenso wie jene der ursprünglich verlegten Rohre) für den angestrebten und für die Beklagte erkennbaren Zweck der Entwässerung des Parkplatzes unzureichend gewesen sei.
[29] 2.2.2. Für die Beurteilung der damit angesprochenen Warnpflichtverletzung ist zunächst davon auszugehen, dass es sich bei den bestehenden Kanalrohren (mit einem Durchmesser von 150 Millimetern), an welche die von der Beklagten auszutauschenden Rohre anzuschließen waren, um einen von der Klägerin beigestellten Stoff iSd § 1168a ABGB (aus ihrer Sphäre stammende „Vorarbeit“) handelte. Ob die Vereinbarung der Verlegung von Rohren mit einem Durchmesser von 200 Millimetern (tatsächlich wurden solche mit einem Durchmesser von nur 150 Millimetern verwendet) als von der Klägerin erteilte Anweisung im Sinn dieser Bestimmung anzusehen sei, kann daher dahingestellt bleiben.
[30] 2.2.3. Ob die Beklagte davor warnen musste, dass Rohre mit einem Durchmesser von weniger als 300 Millimetern für die Entwässerung des Parkplatzes nicht ausreichen, hängt davon ab, ob ihr erkennbar war, dass der von ihr teilweise zu „sanierende“ Kanal (auch) diesem Zweck dienen sollte. Davon ist hier aber schon deshalb auszugehen, weil es sich beim bestehenden Kanal erkennbar um einen Mischwasserkanal handelte, der neben der Beseitigung von Schmutzwasser auch der Oberflächenentwässerung des Parkplatzes diente. Auch wenn bei Vertragsabschluss nicht ausdrücklich über die „Problematik der Parkplatzentwässerung“ gesprochen wurde, musste die Beklagte daher annehmen, dass der Kanal diesen Zweck erfüllen sollte. Dies war ihr auch tatsächlich bekannt, nahm sie doch selbst in ihrem Angebot auf das „Mischwassersystem“ (also ein System, bei dem neben Schmutzwasser auch Niederschlagswasser – hier vor allem vom Parkplatz – abgeleitet wird) Bezug.
[31] 2.2.4. Dass die Beklagte letztlich nur mit der Sanierung eines Teilabschnitts des Kanals beauftragt wurde (wobei sie sich aber – was sich auch aus ihrem Angebot ergibt – mit der Entwässerungssituation auf der gesamten von ihr eingehend besichtigten Liegenschaft auseinandersetzte), ändert nichts daran, dass ihr das Interesse der Klägerin an einer Verwendung des Kanals (vor allem) zur Oberflächenentwässerung des Parkplatzes bekannt sein musste und auch tatsächlich bekannt war. Damit musste sie aber auch davon ausgehen, dass die beauftragte Sanierung des konkreten Kanal-(teil-)stücks ebenfalls diesem Zweck dienen sollte. Wenngleich dieser Zweck letztlich nur durch einen Austausch des Kanals über die gesamte Länge oder durch Errichtung „alternativer“ Einrichtungen zur Ableitung oder Versickerung des Oberflächenwassers erreicht werden hätte können, womit die Beklagte zweifellos nicht beauftragt war, hätte sie die Klägerin daher im Rahmen ihrer werkvertraglichen Interessenwahrungspflicht auf diesen Umstand hinweisen müssen. Allein die (isoliert betrachtet) fachgerechte Durchführung der von ihr übernommenen Arbeiten – und damit die Erfüllung des ihr erteilten „Reparaturauftrags“ (1 Ob 170/01h) – schließt die Verletzung einer der Wahrung der Interessen der klagenden Werkbestellerin dienenden Warnpflicht nicht aus (RS0022268 [T1]; vgl zuletzt auch 3 Ob 52/23b).
[32] 2.2.5. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen hätte die Beklagte als Tiefbauunternehmerin auch erkennen können, dass der – von ihr in einem Teilabschnitt zu sanierende – Kanal und daher auch der ihrem eigenen Werk zumindest implizit (vgl etwa 9 Ob 83/18y mwN) zugrundeliegende Zweck wegen der offenbaren Untauglichkeit des beigestellten Stoffs (der zu geringen Dimension jener Rohre, an welche die auszutauschenden Rohre – die zwingend die gleiche Dimension aufweisen mussten – anzuschließen waren) nicht zu erreichen war. Da sie die Klägerin auf diesen Umstand nicht hinwies, verstieß sie schuldhaft (§ 1298 ABGB) gegen ihre Warnpflicht.
[33] 2.2.6. Aus der vom Berufungsgericht zitierten Judikatur, wonach der Unternehmer ein Reparaturobjekt nach Behebung jenes Fehlers, der Ursache für den Reparaturauftrag war, nicht auch in anderen Teilbereichen auf Fehler untersuchen müsse (RS0021982), ergibt sich keine andere Beurteilung. Den angesprochenen Entscheidungen (5 Ob 589/76; 7 Ob 626/83) lagen nämlich jeweils Fälle zugrunde, in denen solche Fehler entweder bei „üblicher Prüfung und Untersuchung“ nicht (7 Ob 626/83) oder nur bei „besonderer Untersuchung“ (5 Ob 589/76) erkennbar waren.
[34] 3. Ausgehend von einer Warnpflichtverletzung der Beklagten ist in weiterer Folge zu beurteilen, ob der Klägerin deshalb ein Anspruch auf Rückzahlung des Werklohns zukommt.
[35] 3.1. Wie dargelegt, richten sich die Rechtsfolgen einer Warnpflichtverletzung des Werkunternehmers nach § 1168a ABGB. Demnach verliert der Unternehmer seinen Entgeltanspruch und er haftet für weitergehende, durch die Warnpflichtverletzung verursachte Schäden (RS0022124). Der Entgeltanspruch des Werkunternehmers entfällt wegen der durch die Warnpflichtverletzung eingetretenen Unbrauchbarkeit des Werks (1 Ob 164/22g [Rz 35]). Ein solches „Misslingen“ des Werks kann auch darin liegen, dass der dem Werkvertrag zumindest implizit zugrundeliegende (und daher Vertragsinhalt gewordene) Zweck durch Erfüllung der getroffenen Vereinbarung gar nicht erreicht werden konnte, weil die konkret vereinbarte Ausführung nicht geeignet war, den bedungenen Zweck zu erfüllen. In diesem Fall spricht man von einem „widersprüchlichen“ Werkvertrag (9 Ob 83/18y; 5 Ob 200/23g).
[36] 3.2. Ein solcher ist hier zu beurteilen, weil der dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag erkennbar zugrunde liegende Zweck, mit dem von der Beklagten in einem Teilbereich zu sanierende Kanal die Entwässerung des Parkplatzes sicherzustellen, durch die konkret vereinbarte Ausführung des Werks (Austausch eines Teils des Kanalstücks durch Rohre mit einem den bisherig verwendeten – und teilweise bestehen gebliebenen – Rohren entsprechenden Durchmesser) nicht erreicht werden konnte. Damit war das Werk der Beklagten aber – im Hinblick auf seine angestrebte Funktion – für die Klägerin unbrauchbar. Der Beklagten steht daher kein Anspruch auf den Werklohn zu. Da die Klägerin diesen bereits bezahlt hat, kommt ihr ein Anspruch auf dessen Rückzahlung zu, sodass das Zahlungsbegehren im Ergebnis zu Recht besteht.
4. Zum Feststellungsbegehren:
[37] Das Berufungsgericht begründete die Abweisung des Feststellungsbegehrens auch damit, dass die Klägerin kein Vorbringen zur Ursächlichkeit der behaupteten Warnpflichtverletzung für jene drohenden Schäden erstattet habe, aus denen sie ihr Feststellungsinteresse ableite (hypothetischer Kausalverlauf). Gegen diese Begründung der Abweisung des Feststellungsbegehrens wendet sich die Revisionswerberin nicht. Tritt ein Rechtsmittelwerber der Beurteilung einer eigenständig zu beurteilenden Rechtsfrage nicht entgegen, ist es dem Rechtsmittelgericht aber verwehrt, darauf einzugehen (etwa 1 Ob 225/22b; 1 Ob 109/23w, jeweils mwN). Die Abweisung des Feststellungsbegehrens durch das Berufungsgericht ist daher zu bestätigen.
5. Ergebnis und Kosten:
[38] 5.1. Das auf Rückzahlung des Werklohns gerichtete Zahlungsbegehren ist berechtigt. In diesem Punkt wird daher die stattgebende Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens wird die klageabweisende Entscheidung des Berufungsgerichts hingegen bestätigt.
[39] 5.2. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens sowie des Berufungsverfahrens, für das die Kostenentscheidung neu zu fassen ist, beruht jeweils auf § 43 Abs 2 iVm § 50 Abs 1 ZPO, weil die Klägerin mit ihrem Feststellungsbegehren im Rechtsmittelverfahren nur geringfügig unterlag. Sie hat daher Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten zweiter und dritter Instanz.
[40] 5.3. Zur Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz wird auf die Judikatur verwiesen, wonach in komplexen Verfahren (hier: mehrere Verfahrensabschnitte; umfangreiche Kosteneinwendungen der Beklagten) die Kostenentscheidung der ersten Instanz aufgetragen werden kann (RS0124588 [T13]).
Unsere Meinung dazu
Das österreichische Werkvertragsrecht ist an sich gut erforscht. In der vorliegenden Entscheidung hat der OGH allerdings einige interessante Ausführungen zu den vom Werkbesteller "beigestellten Stoffen" gemacht. Als solche gelten nicht nur "Materialien" aus denen etwa das Werk hergestellt, sondern auch der Grund- und Boden des Werkbestellers, auf oder in dem das Werk errichtet werden soll. Der Werkunternehmer hat also auch den Baugrund und dessen Eignung bzw. dessen Einfluss auf das Werk zu prüfen. Der OGH verlangt vom Werkunternehmer, dass er sein Werk "durchdenkt". Im hier gegenständlichen Fall musste der Werkunternehmer den Besteller warnen, dass sein Werk - ein Kanal - nicht ausreichend dimensioniert ist, um den Parkplatz des Bestellers tauglich zu entwässern. Selbst wenn der Besteller eine bestimmte Rohrdimension bestellt, muss der Werkunternehmer prüfen, ob diese Dimension ausreichend ist. Das erscheint vernünftig und dem Maßstab des Sachverständigen gemäß § 1299 ABGB (dem der Werkunternehmer unterliegt) angemessen.