Ungültige Betriebskostenklausel

Ferdinand Bachinger
Admin | 16. Februar 2025
OGH vom 17.12.2024, 10 Ob 54/24z:
[1] Der Erstkläger und die Zweitklägerin (in der Folge nur: die Kläger) sind Mieter einer Eigentumswohnung mit der Anschrift *. Der Geschäftsführer der ursprünglichen Vermieterin ist auch Geschäftsführer der Beklagten (er wird daher in der Folge nur noch als solcher bezeichnet). Zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und den Klägern bestand bis etwa zu Beginn des Jahres 2023 eine mehrere Jahrzehnte andauernde Freundschaft.
[2] Die Kläger unterfertigten am 3. Juli 2020 in Anwesenheit des Geschäftsführers der Beklagten ein von diesem vorbereitetes Mietanbot. Der in weiterer Folge vom Erstkläger im Namen der Kläger am 20. September 2020 und vom Geschäftsführer der Beklagten am 24. September 2020 unterfertigte Mietvertrag enthält folgende Textpassagen:
2.1. Das Mietverhältnis beginnt am 1.1.2021 und wird auf die Dauer von 10 Jahren abgeschlossen. […]
6. Hauptmietzins und Nebenkosten
Die Hauptmiete beträgt monatlich für das Mietobjekt (USt. 10% = € 120,00) € 1.200,00
Die Hauptmiete für zwei TG-Stellplätze beträgt monatlich (USt. 20% = € 16,67) € 83,33
Gesamtbetrag netto € 1.283,33
Bewirtschaftungskosten, (Betriebskosten, Heizkosten, öffentliche Abgaben,
besondere Aufwendungen) monatliche Akontozahlung (Jahrespauschalverrechnung
vgl. Ziffer 8) inkl. USt. € 180,00
USt. (10% bzw. 20%) € 136,67
Monatlich zu zahlender Gesamtmietzins inkl. Ust € 1.600,00
[…]
7. Wertsicherung
7.1. Die Vertragsparteien vereinbaren, dass die Hauptmiete für das Mietobjekt durch den von STATISTIK AUSTRIA – Bundesanstalt Statistik Österreich – ermittelten Verbraucherpreisindex VPI 2015 (Basis 2015=100) bestimmt wird. Die jeweils aktuellen Werte des Verbraucherpreisindexes sind u.a. auch im Internet unter der Adresse http://www.statistik.at abrufbar. Maßgebend ist der Indexwert, der für den Monat des Vertragsabschlusses verlautbart wird.
7.2. Diese Änderung der Hauptmiete kann erstmals nach Ablauf von einem Jahr seit Mietbeginn oder immer dann verlangt werden, wenn die maßgebende Zahl des Verbraucherpreisindexes sich um mindestens 5 vH gegenüber der Indexzahl bei der letzten Hauptmietanpassung nach oben oder unten verändert hat.
8. Bewirtschaftungskosten:
8.1. Neben dem Hauptmietzins sind sämtliche Bewirtschaftungskosten für das Gebäude vom Mieter anteilig zu bezahlen.
Bewirtschaftungskosten sind:
Insbesondere die in § 21 MRG aufgezählten Betriebskostenarten, die in § 22 MRG bestimmten Kosten für die Verwaltung, die in § 23 MRG bestimmten Kosten für die Hausbetreuung sowie öffentliche Abgaben und besondere Aufwendungen.
8.2. Nicht in den Bewirtschaftungskosten enthalten sind die Kosten für Strom für die individuelle separate Versorgung der Wohnung, sowie Rundfunkgebühren und Kommunikationseinrichtungen des Mieters (Telefon, Internetzugang) und Sonstiges. Insoweit schließt der Mieter eigene Lieferverträge mit den entsprechenden Versorgungsunternehmen ab.
8.3. Jahrespauschalverrechnung, Anpassung der Akontozahlungen:
8.3.1. Zur Deckung der Bewirtschaftungskosten sind monatliche Akontozahlungen, wie unter Ziffer 6 (Hauptmietzins und Nebenkosten) festgelegt, vom Mieter zu bezahlen. Der Vermieter hat die im Laufe eines Kalenderjahres fällig gewordenen Bewirtschaftungskosten spätestens zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres und Berücksichtigung der vom Mieter geleisteten monatlichen Akontozahlungen gegenüber dem Mieter abzurechnen.
8.3.2. Ergibt sich aus der Abrechnung gegenüber den geleisteten Akontozahlungen des Mieters ein Überschuss, so hat der Vermieter den entsprechenden Betrag an den Mieter binnen einer Monatsfrist zurück zu erstatten.
8.3.3. Ergibt sich aus der Abrechnung gegenüber den geleisteten Akontozahlungen eine Unterdeckung, so hat der Mieter den entsprechenden Betrag an den Vermieter binnen einer Monatsfrist zu bezahlen.“
[3] Eine mündliche Erörterung des Mietvertrags zwischen den Klägern und dem Geschäftsführer der Beklagten, insbesondere der in Punkt 8. genannten Bewirtschaftungskosten, fand zu keiner Zeit statt.
[4] Entgegen dem eigentlichen Beginn des Mietverhältnisses mit 1. Jänner 2021 durften die Kläger bereits ab 1. Oktober 2020 in die Wohnung, wobei die Rechtsvorgängerin der Beklagten auf ein Benützungsentgelt verzichtete.
[5] Die Beklagte erwarb von ihrer Rechtsvorgängerin mit Kaufvertrag vom 13. April 2023 jene Anteile der Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum an der an die Kläger vermietete Wohnung verbunden ist. Darin übernahm die Beklagte das bestehende Mietverhältnis mit den Klägern vollinhaltlich, was der Geschäftsführer der Beklagten als Eintritt in das Mietverhältnis samt den damit verbundenen Rechten und Pflichten verstand. Über die Übernahme des Mietverhältnisses setzte die Beklagte die Kläger in Kenntnis.
[6] Die Kläger begehren (zuletzt) die Zahlung von 16.375,05 EUR. Sie hätten im Irrtum über eine Verpflichtung dazu insgesamt 11.368,16 EUR an Betriebskosten und Betriebskostenakonti an die Beklagte bzw ihre Rechtsvorgängerin gezahlt, obwohl die entsprechende Bestimmung im Mietvertrag wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG und wegen gröblicher Benachteiligung im Sinn des § 879 ABGB nichtig sei. Außerdem hätten sie im Irrtum über eine Verpflichtung dazu weitere insgesamt 5.006,89 EUR an Wertsicherungsbeträgen gezahlt, obwohl die Wertsicherungsklausel gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG verstoße und daher nichtig sei. Beim Mietvertrag handle es sich um einen Formularvertrag. Die Kläger stellten auch einen Zwischenantrag auf Feststellung, dass sie nicht verpflichtet seien, Betriebskosten und Wertsicherungsbeträge zu zahlen, die entsprechenden Bestimmungen nicht rechtsgültig vereinbart seien und sie lediglich einen Gesamtmietzins in näher bestimmter Höhe zu zahlen hätten.
[7] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und des Zwischenantrags auf Feststellung. Die Beklagte habe mit den Klägern keinen Mietvertrag, sodass sie für Rückforderungsansprüche bis zur Vertragsübernahme durch die Beklagte nicht passiv legitimiert sei. Abgesehen davon, dass nicht einmal die Behauptung aufgestellt werde, es würde sich um AGB oder ein Vertragsformblatt handeln, sei die Bestimmung zur Tragung der Betriebskosten nicht unwirksam. Die Betriebskostenabrechnungen seien von den Klägern auch akzeptiert worden. Auch von einer ungültigen Wertsicherungsklausel könne keine Rede sein.
[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren und den Zwischenantrag auf Feststellung ab. Die Beklagte sei in die Rechtsstellung der Vermieterin eingetreten und habe deren gesamte vertragliche Rechtsstellung übernommen, ohne dass dadurch der Inhalt oder die rechtliche Identität des bisherigen Schuldverhältnisses verändert worden wäre, sodass der von der Beklagten erhobene Einwand der teilweise mangelnden Passivlegitimation nicht berechtigt sei. Es verneinte die Nichtigkeit der von den Klägern inkriminierten Klauseln. Es fehlten schon Anhaltspunkte dafür, dass der zu beurteilende Mietvertrag bloß unter Verwendung von Textbausteinen erstellt und in Bezug auf die Kläger für den Einzelfall angepasst worden sei. Ungeachtet dessen, dass der Mietvertrag durch den Geschäftsführer der Beklagten einseitig vorformuliert, jedoch individuell ausgearbeitet worden sei, sei keine derartige Ungleichgewichtslage gegeben, auf Basis der die Kläger als besonders unterlegen einzuordnen wären, zumal ihnen der Mietvertrag zur Durchsicht vorübergehend ausgehändigt worden sei, sodass sie entsprechend Gelegenheit gehabt hätten, den Vertrag im erforderlichen Maße zu prüfen und Rückfragen zu stellen bzw in Bezug auf die darin enthaltenen Klauseln Beanstandungen zu erheben. Das zum damaligen Zeitpunkt freundschaftliche Verhältnis zwischen den handelnden Personen spreche überdies auch in erheblichem Maße gegen eine damals gegebene Ungleichgewichtslage. Die Bestimmung zur Tragung der Betriebskosten sei auch nicht unklar oder unverständlich und auch nicht gröblich benachteiligend. Die Wertsicherungsklausel verstoße nicht gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, weil die erstmalige Anpassung den Ablauf eines Jahres seit Mietbeginn voraussetze, sodass die Beklagte entgegen der Rechtsansicht der Kläger in den ersten beiden Monaten des Mietverhältnisses keine Anpassung des Hauptmietzinses vornehmen hätte können.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil unter Hinweis auf § 500a ZPO. Aufgrund der Aushändigung des Mietvertrags an die Kläger sei davon auszugehen, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu einer Abänderung des von ihm verwendeten Textes erkennbar bereit gewesen sei. Es sei auch zwischen den Parteien vorab besprochen worden, dass ein Betrag von 180 EUR an Betriebskosten anfallen werde, dieser eine monatliche Akontozahlung darstelle und eine jährliche Abrechnung stattfinde, sodass es an der typischen „Unterwerfungssituation“ und „Ungleichgewichtslage“ mangle. Dafür spreche auch, dass die Kläger vor dem Einzug in die Wohnung bestimmte Änderungswünsche kundtun und sie die Wohnung vorzeitig nutzen hätten können.
[10] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil es zur Anwendbarkeit des § 6 Abs 3 KSchG divergierende höchstgerichtliche Rechtsprechung ortete.
[11] Dagegen richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[12] Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.
1. Anfechtungsumfang
[14] 1.1. Der Zwischenantrag auf Feststellung ist einer Klage gleichzuhalten. Stellt ihn der Kläger, liegt darin eine Klageerweiterung (RS0039546).
[15] 1.2. Der Umstand, dass der Revisionsantrag nur auf Stattgabe „des Klagebegehrens“ gerichtet ist (anders als noch der Berufungsantrag, der auf Stattgabe des Klagebegehrens und [explizit auch] des Zwischenantrags auf Feststellung gerichtet war), führt daher nicht dazu, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts nur hinsichtlich des Leistungsbegehrens als angefochten anzusehen ist. Auch die Anführung des Streitwerts (nur) des ursprünglichen Leistungsbegehrens (vor der Ausdehnung durch die Kläger) erfolgte angesichts des sonstigen Inhalts der Revision offensichtlich irrtümlich, sodass die Entscheidung des Berufungsgerichts als zur Gänze angefochten anzusehen ist.
2. Bewirtschaftungskosten
[16] 2.1. Die Kläger begehren von der Beklagten die Rückzahlung von irrtümlich aus dem Titel der Bewirtschaftungskosten geleisteten Beträgen.
[17] 2.1.1. In diesem Zusammenhang ging das Erstgericht davon aus, dass die Beklagte in die Rechtsstellung der ursprünglichen Vermieterin aufgrund einer (im Kaufvertrag über die gegenständliche Wohnung zwischen dieser und der Beklagten vereinbarten) Vertragsübernahme eintrat. Eine solche Vertragsübernahme ist zwischen den Streitteilen auch nicht strittig.
[18] 2.1.2. Entgegen ihrer in erster Instanz geäußerten Rechtsansicht ist die Beklagte auch für Rückforderungsansprüche der Kläger passiv legitimiert, die auf (rechtsgrundlose, aber im Hinblick auf den Mietvertrag getätigte) Leistungen an die Rechtsvorgängerin der Beklagten beruhen. Der Geschäftsführer der Beklagten ging nach dem festgestellten Sachverhalt davon aus, dass der Eintritt in das Mietverhältnis mitsamt den damit verbundenen Rechten und Pflichten erfolgte. Davon gehen erkennbar auch die Kläger aus. Bei einem solchen Gesamtübergang des Rechtsverhältnisses umfasst dieser auch Kondiktionsansprüche, die auf Leistungen an die ausgeschiedene Altpartei beruhen und deren Rückabwicklung aufgrund Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zu erfolgen hat (vgl 3 Ob 241/23x Rz 20 mwN).
[19] 2.2. Andere Einwände gegen den von den Klägern geltend gemachten Kondiktionsanspruch im Fall der Nichtigkeit der Klauseln über die Bewirtschaftungskosten setzten die Beklagten dem Klagebegehren im erstinstanzlichen Verfahren nicht entgegen, sodass nur zu prüfen ist, ob diese Vertragsbestimmungen wirksam vereinbart wurden und somit einen Rechtsgrund für die Leistungen der Kläger darstellen können.
[20] 2.3. Die Kläger, deren Eigenschaft als Konsumenten im Verfahren nicht strittig ist, stützten die Nichtigkeit dieser Vertragsbestimmungen unter anderem auf einen Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG. Danach ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist.
[21] 2.3.1. Die Unwirksamkeit der gegenständlichen Vertragsbestimmungen setzt nach dem Gesetzeswortlaut somit zunächst voraus, dass sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthalten ist.
[22] Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind unter Allgemeinen Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen zu verstehen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nur dann nicht vor, wenn Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind (RS0123499 [T2]).
[23] 2.3.2. Die Beklagte brachte dazu im Einspruch vor, dass nicht einmal die Behauptung aufgestellt werde, es würde sich um AGB oder um ein Vertragsformblatt handeln. Daraufhin behaupteten die Kläger, dass es sich um einen Formularvertrag handle und selbst bloße Textbausteine oder Niederschriften „aus dem Kopf“ Formularvertragscharakter hätten. Dem hielt die Beklagte sodann nichts Substantielles mehr entgegen.
[24] 2.3.3. Abgesehen davon, dass es sich bei Punkt 6. und 8. des Mietvertrags schon nach ihrer Textierung offensichtlich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte (und nur hinsichtlich der darin genannten konkreten Beträge individualisierte) Textbausteine handelt, die der Geschäftsführer der Beklagten den Klägern stellte, wurde der Formularcharakter dieser Vertragsbestimmungen von der Beklagten (nach Erstattung des entsprechenden Vorbringens durch die Kläger) nicht weiter bestritten. Insbesondere wurde im Verfahren erster Instanz zu keinem Zeitpunkt vorgebracht, diese Klauseln unterlägen deswegen (doch) nicht dem § 6 Abs 3 KSchG, weil sie im Einzelnen ausgehandelt worden wären oder der Geschäftsführer der Beklagten erkennbar dazu bereit gewesen wäre, die vorformulierten Vertragsbestimmungen im Einzelfall zu ändern. Die dazu vom Erstgericht getroffenen Feststellungen sind daher überschießend und halten sich auch nicht im Rahmen der von der Beklagten erhobenen Einwendungen, sodass sie – wie die Kläger in der Revision zutreffend geltend machen – bei der rechtlichen Beurteilung nicht zu berücksichtigen gewesen wären (RS0040318).
[25] 2.3.4. Unabhängig davon ist die Beurteilung der Vorinstanzen auch unter Zugrundelegung der getroffenen überschießenden Feststellungen nicht zutreffend:
[26] Die (einseitige) Formulierung einer Klausel ohne diesbezügliche Verhandlungen bedeutet gerade nicht, dass diese im Einzelnen ausgehandelt wurde (vgl RS0121396). Nach herrschender Rechtsprechung reicht es für ein solches Aushandeln auch nicht aus, dass die Klausel zwischen den Vertragsteilen bloß erörtert und dem Verbraucher bewusst gemacht worden ist (RS0121396 [T1]). Der Unternehmer muss vielmehr zu einer Änderung des von ihm verwendeten Textes erkennbar bereit gewesen sein (RS0121396 [T2]).
[27] Diesen Anforderungen wird eine Klausel in einem schriftlichen Mietvertrag, den der Unternehmer dem Verbraucher (bloß) „zur Durchsicht bzw Unterfertigung“ aushändigt, nicht gerecht. Die Aushändigung „zur Durchsicht“ gibt dem Verbraucher bloß die Möglichkeit, den Vertrag „durchzusehen“, also zu lesen (und im Fall des Einverständnisses zu unterfertigen). Eine Bereitschaft, den von ihm verwendeten Text der Vertragsbestimmungen zu ändern oder auch nur darüber zu verhandeln, wird damit aber nicht kundgetan.
[28] Dass schon die bloße Übersendung eines einseitig vorformulierten Vertrags dazu führte, dass dieser als im Einzelnen ausgehandelt anzusehen wäre, ergibt sich auch nicht aus der vom Berufungsgericht für seine Rechtsansicht ins Treffen geführten Entscheidung zu 9 Ob 1767/91. Abgesehen davon, dass diese Entscheidung nicht die aktuelle (insbesondere vom Unionsrecht beeinflusste) Rechtslage betrifft, ging diese Entscheidung offenbar davon aus, dass der Mietvertrag von einem Rechtsanwalt entsprechend dem Ergebnis der Vertragsverhandlungen der Streitteile ausgearbeitet wurde (vgl 10 Ob 81/18m ErwGr 5.).
[29] Auch die vom Berufungsgericht weiters angeführten Umstände sprechen nicht für eine Erkennbarkeit der Bereitschaft des Geschäftsführers der Beklagten, die Formulierung der hier gegenständlichen Klauseln zu ändern oder darüber zu verhandeln. Das (damals noch bestehende) freundschaftliche Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und den Klägern gibt darauf ebenso wenig einen Hinweis wie der Verzicht der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf ein Benützungsentgelt für die Nutzung der Wohnung vor Mietvertragsbeginn. Gleiches gilt für die Umsetzung von (bereits im Mietanbot enthaltenen) Änderungswünschen der Kläger (zur Gestaltung der gemieteten Wohnung), was im Übrigen auch nicht die Klauseln über die Bewirtschaftungskosten betrifft.
[30] 2.3.5. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die Punkte 6. und 8. des Mietvertrags, soweit sie eine Verpflichtung zur Tragung der Bewirtschaftungskosten durch die Kläger festlegen, dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG unterliegen.
[31] 2.4.1. Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar sind (RS0122169). Das Transparenzgebot soll eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sicherstellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Verbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird (RS0115217 [T3, T41]) oder ihm unberechtigt Pflichten auferlegt werden (RS0115217 [T8]). Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen also so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RS0115217 [T14]). Einzelwirkungen des Transparenzgebots sind insbesondere das Gebot der Erkennbarkeit und Verständlichkeit, das Gebot, den anderen Vertragsteil auf bestimmte Rechtsfolgen hinzuweisen, das Bestimmtheitsgebot, das Gebot der Differenzierung, das Richtigkeitsgebot und das Gebot der Vollständigkeit (RS0115219 [T12]; RS0115217 [T12]).
[32] 2.4.2. Von diesen Grundsätzen ausgehend beurteilte der Oberste Gerichtshof Klauseln, mit denen – wie hier im Teilanwendungsbereich des MRG – nach § 1099 ABGB an sich vom Vermieter zu tragende Kosten auf den Mieter überwälzt werden, dann als intransparent, wenn diese überwälzten Kosten (bloß) beispielsweise aufgezählt werden und gleichzeitig darauf verwiesen wird, dass die in der Aufzählung genannten Kostenkategorien nicht ausschließlich sind (4 Ob 106/21y Rz 16; 2 Ob 215/10x ErwGr 5.4; 6 Ob 81/09v ErwGr 2.2.; 7 Ob 78/06f [zu Klausel 8]; zu „Bewirtschaftungskosten“ vgl auch 2 Ob 36/23t Rz 7).
[33] 2.4.3. Nach dieser Rechtsprechung sind auch die gegenständlichen Punkte 6. und 8. des Mietvertrags intransparent, weil sie die Klägerin im Unklaren darüber lassen, was als Bewirtschaftungskosten zu verstehen ist und welche Kostenbelastung letztlich für sie daraus resultiert. Warum diese Rechtsprechung – auf die sich die Kläger bereits im Verfahren erster Instanz stütten – im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelangen sollte, legen die Vorinstanzen und die Beklagte auch nicht offen.
[34] 2.5.1. Soweit die Vorinstanzen auch darauf verweisen, dass die gegenständlichen Klauseln explizit aufgezählte bzw durch einen Verweis auf die §§ 21 bis 23 MRG erfasste Kostenpositionen enthalten, deren Überwälzung nicht intransparent sei, weil insofern kein Zweifel darüber bestehen könne, welche Kostenbelastung die Kläger treffe, ist ihnen ebenfalls die zitierte Rechtsprechung entgegenzuhalten, aus der sich eine bloß teilweise Wirksamkeit nur der demonstrativ aufgezählten Kostenpositionen nicht ergibt. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs 3 KSchG sind unklare und unverständliche Vertragsbestimmungen vielmehr zur Gänze unwirksam und findet eine geltungserhaltende Reduktion damit auch im Individualprozess nicht statt (RS0122168).
[35] 2.5.2. Davon zu unterscheiden ist freilich die in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unter bestimmten Umständen bejahte Teilnichtigkeit von eigenständigen Klauseln, wenn darin voneinander unabhängige Regelungen enthalten sind. Maßgeblich für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig im Sinn des § 6 KSchG ist dabei zwar nicht die Gliederung des Klauselwerks und es können auch zwei unabhängige Regelungen in einem Punkt oder sogar in einem Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein. Es kommt darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können (RS0121187), wobei der sprachlichen Unselbständigkeit ein gewisses Gewicht zukommt (RS0121187 [T11]).
[36] Dementsprechend nimmt der Oberste Gerichtshof bei Klauseln, die einen Regelungsbereich allgemein umschreiben und mit einer darauf Bezug nehmenden bzw im unmittelbaren sprachlichen Kontext stehenden demonstrativen Aufzählung verbunden sind, eine einheitliche – und daher zur Gänze der Nichtigkeitssanktion unterliegende – Regelung an (7 Ob 92/23i Rz 16; 8 Ob 144/18m [zu Klausel 52]; 6 Ob 242/15d ErwGr 1.2.4.).
[37] 2.5.3. Entgegen der Beurteilung der Vorinstanzen können die Punkte 6. und 8. des Mietvertrags somit für die unter dem Titel Betriebskosten gezahlten Beträge keinen Rechtsgrund liefern. Durch den Entfall dieser Klausel wird auch der Vereinbarung betreffend die Zahlung monatlicher Betriebskostenakonti die rechtliche Grundlage entzogen (6 Ob 105/21s Rz 22).
[38] 2.6. Abweichend von der Rechtsansicht der Beklagten liegt in der bloßen (zunächst vorbehaltslosen) Zahlung dieser Beträge – gemessen an dem für konkludente Willenserklärungen anzulegenden strengen Maßstab (RS0013947) – auch keine (schlüssige) Vereinbarung einer diese Beträge umfassende Kostentragungspflicht (vgl RS0038618; RS0069831).
[39] 2.7. Mangels die Zahlung von Bewirtschaftungskosten und entsprechender Akonti rechtfertigender Rechtsgründe sind die unter dem Titel „Betriebskosten“ von den Klägern geleisteten Beträge daher rückforderbar, sodass dem Klagebegehren insofern stattzugeben ist. Auf die Frage, ob die Vertragsbestimmung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend und auch aus diesem Grund nichtig ist, muss somit nicht mehr eingegangen werden.
[40] 2.8. Ausgehend davon ist auch das (von den Klägern mittels Zwischenantrag auf Feststellung zum Entscheidungsgegenstand gemachte) Feststellungsbegehren berechtigt, soweit es die Bewirtschaftungskosten (und entsprechende Akonti) betrifft, weil die Kläger diesbezüglich keine Zahlungspflicht trifft und die entsprechenden Vertragsbestimmungen nichtig sind.
3. Wertsicherungsbeträge
[41] 3.1. Die Rückforderung der von den Klägern gezahlten Wertsicherungsbeträge hängt von der Wirksamkeit der Wertsicherungsklausel ab. Die Kläger halten diese Klausel in der Revision wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot, wegen ihrer Missbräuchlichkeit und wegen eines Verstoßes gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG für nichtig. Intransparent sei die Klausel, weil Punkt 7.2. des Mietvertrags eine Änderung der Hauptmiete erstmals nach Ablauf von einem Jahr seit Mietbeginn „oder“ immer bei entsprechender Veränderung der vereinbarten Indexzahl gegenüber der Indexzahl bei der letzten Hauptmietanpassung ermögliche.
[42] 3.2. Diese Argumentation ist nicht nachvollziehbar. Die Vertragsbestimmung regelt völlig eindeutig zwei von einander zu unterscheidende, alternative („oder“) Fälle, die zur Änderung des Entgelts führen. Der erste Fall besteht ein Jahr ab Mietbeginn und zwar unabhängig davon, in welchem Umfang sich die Indexzahl bis dahin änderte. Der zweite Fall hängt vom Ausmaß der Änderung der Indexzahl seit der letzten Anpassung ab. Durch das Abstellen auf die letzte Anpassung wird in einer jeder Zweifel ausschließenden Weise gleichzeitig festgelegt, dass dieser zweite Fall eine bereits erfolgte Anpassung voraussetzt, die logisch zwingend erstmals nur nach dem ersten Fall – also frühestens ein Jahr nach Mietbeginn – liegen kann. Der in diesem Zusammenhang verwendete Begriff „Hauptmietanpassung“ ist bei redlicher und verständiger Betrachtung auch nicht auslegungsbedürftig, insbesondere kann darunter nicht bereits die Vereinbarung der Hauptmiete durch den Vertragsabschluss (als „Hauptmietzinsanpassung im weitesten Sinn“) verstanden werden. Weder bewirkt die Verknüpfung dieser Fälle mit dem Wort „oder“ eine Widersprüchlichkeit (oder sonstige Unklarheit), noch wird einer dieser Fälle durch den anderen überflüssig (und deswegen intransparent).
[43] 3.3.1. Die Indexklausel ist nach Ansicht der Kläger überdies (wohl gemeint: im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB) missbräuchlich, weil sie in Punkt 7.1. bei einer Indexerhöhung auf die Veränderung gegenüber dem Monat des Vertragsabschlusses und nicht des Vertragsbeginns abstelle, sodass die Erhöhung dem Vermieter außerhalb der Vertragslaufzeit zugute komme.
[44] 3.3.2. Dieser Argumentation ist nicht zu folgen. Eine Wertsicherungsklausel in einem Mietvertrag ist durch das legitime Bedürfnis des Vermieters gerechtfertigt, das Entgelt – insbesondere bei längeren Vertragslaufzeiten – an die tatsächliche Geldentwertung anzupassen und damit das Äquivalenzverhältnis zu wahren (RS0132652). Die Geldwertveränderung führt zu einer Veränderung der ursprünglichen subjektiven Äquivalenz der Leistungen und zu einem Auseinanderfallen von deren Wertverhältnis (RS0132652 [T4]). Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass Wertsicherungsvereinbarungen, die die Höhe des Mietzinses an die Entwicklung des Verbraucherpreisindex koppeln, dem Sachlichkeitsgebot des § 879 Abs 3 ABGB und des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG genügen (10 Ob 23/24s Rz 19 mwN).
[45] Da für die dem Vertrag zugrunde gelegte Bewertung der gegenseitig zu erbringenden Leistungen regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich sind, wahrt eine Wertsicherung legitimerweise das im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehende Äquivalenzverhältnis (vgl 1 Ob 64/24d Rz 10). Daher kann eine vereinbarte Wertsicherung im Lichte des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB bedenklich sein, die dazu führt, dass in eine Preisanpassung Umstände einfließen, die aus der Zeit vor Abschluss des Mietvertrags stammen und die sich nun preissteigernd auswirken sollen (8 Ob 37/23h Rz 15; U. Terlitza, (Un-)Wirksame Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen, NZ 2024/52, 174 ff [182]; vgl auch 10 Ob 50/11t ErwGr 3.).
[46] Einen solchen Inhalt hat die gegenständliche Klausel jedoch nicht. Aus welchen Gründen eine Wertsicherungsvereinbarung sachlich nicht gerechtfertigt oder gröblich benachteiligend sein soll, die – wie hier – eine Veränderung der bei Vertragsschluss vereinbarten, also im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenen subjektiven Äquivalenz der Leistungen verhindern soll, lässt sich der Revision der Kläger nicht entnehmen und ist auch nicht ersichtlich.
[47] 3.4.1. Die Kläger sehen darüber hinaus einen Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG. Danach ist eine (nicht im einzelnen ausgehandelte) Vertragsbestimmung für den Verbraucher nicht verbindlich, nach der dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung zu erbringende Leistung ein höheres als das ursprünglich bestimmte Entgelt zusteht.
[48] 3.4.2. Nach der hier vorliegenden (wie oben aufgezeigt eindeutigen) Regelung ist eine Entgelterhöhung allerdings erstmals nach Ablauf von einem Jahr seit Mietbeginn zulässig. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist daher schon aus diesem Grund zu verneinen, sodass auf die Frage, ob § 6 Abs 2 Z 4 KSchG überhaupt zur Nichtigkeit von Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen führen kann, wenn sich die Möglichkeit einer Entgelterhöhung in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss bietet, nicht eingegangen werden muss (zum diesbezüglichen Meinungsstand siehe etwa 10 Ob 23/24s Rz 32 und U. Terlitza, NZ 2024, 178 f).
[49] 3.5. Damit ist festzuhalten, dass die Wertsicherungsklausel nicht aus den von den Klägern genannten Gründen unwirksam ist. Auf andere Umstände oder Gründe, die für eine Rückforderung der geleisteten Wertsicherungsbeträge sprechen könnten, stützen sich die Kläger nicht. Die abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen sind in diesem Punkt (hinsichtlich des Leistungs- und der Feststellungsbegehren) folglich zu bestätigen.
4. Ergebnis
[50] 4.1. Daraus ergibt sich, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen hinsichtlich der von den Klägern unter dem Titel Betriebskosten gezahlten Beträge, die von der Beklagten der Höhe nach nicht bestritten wurden, in eine Stattgabe des Leistungsbegehrens (samt dem darauf bezogenen, von der Beklagten ebenfalls nicht bestrittenen Zinsenbegehrens) abzuändern waren. Da die betreffenden Klauseln unwirksam waren, war auch den diesbezüglichen Feststellungsbegehren stattzugeben. Hinsichtlich der Wertsicherungsbeiträge waren die abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen zu bestätigen.
Unsere Meinung dazu
Der OGH (Sitz in Wien) ist seit jeher sehr mieterfreundlich und hat auch in dieser Entscheidung seine mehr oder weniger klare Linie bestätigt. Wenn der Vermieter den Mietvertrag erstellt (was eigentlich immer der Fall ist), muss im Mietvertrag taxativ (abschließend) aufgezählt werden, welche Betriebskosten in welcher Höhe vom Mieter zu tragen sind. Tut er das nicht, ist die gesamte Klausel nichtig und der Vermieter bleibt für die gesamte Vertragsdauer auf den Betriebskosten sitzen. Dies gilt allerdings nur, wenn der Vermieter Unternehmer (genauer gesagt unternehmerischer Vermieter) und der Mieter Konsument ist.